Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit seinem Grünbuch Energieeffizienz das Thema aus der Nische geholt und damit einen guten Startpunkt für die Diskussion des notwendigen ordnungsrechtlichen Rahmens gesetzt. Denn bisher wurde Energieeffizienz oft nur als zusätzliches Serviceangebot für Endkunden gesehen, jedoch selten als elementarer Baustein für das Gelingen der Energiewende.
Nachfrageressourcen, also Energieeinsparung oder Lastverschiebung, werden in keinem Energiesystem im volkswirtschaftlich notwendigen Maße automatisch berücksichtigt, auch nicht in wettbewerblichen Systemen. Die vermiedene, also die eingesparte Kilowattstunde hat einen langfristigen Systemwert von 11 bis 15 Cent, der auf vermiedener Erzeugung, Transport und Verteilung basiert. Die Kosten für die allermeisten Einsparoptionen liegen weit darunter. Trotzdem setzte Deutschland bisher, wie auch viele andere Staaten, maßgeblich auf die Erzeugungsoptionen. Häufig durch den Glauben gestärkt, dass liberalisierte Energiemärkte der perfekte und damit ausschließliche Türöffner für volkswirtschaftliche Effizienz im Energiesektor sind. Die Adressierung eines volkswirtschaftlich effizienten Energiesystems kann jedoch nur durch eine aktive Rolle des Regulierers gelingen. Nur dieser kann gewährleisten, dass die Wissens- und Kapitaldefizite oder die unterschiedlichen Bewertungsgrundlagen der betrachteten Ressourcen systematisch beseitigt werden. In wettbewerblichen Strommärkten ist es jedoch ungleich schwieriger, eine dafür notwendige, langfristige Planungsperspektive zu verankern als in monopolistischen Strukturen über ein Integrated-Resource-Planning- und einen Least-Cost-Ansatz.
Um diese Lücke zu überbrücken, hat RAP das Efficiency-First-Prinzip als volkswirtschaftlichen Ansatz definiert. Grundsätzlich handelt es sich bei Efficiency First um ein Entscheidungsprinzip – wenn Effizienzmaßnahmen günstiger sind als geplante Investitionen in (fossiler) Erzeugung oder Netze, dann sollen diese auch realisiert werden. Damit eine solche systematische Evaluierung der Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden kann, ist ein übergeordneter Ordnungsrahmen notwendig, der einerseits die Werte der Nachfrageressourcen berücksichtigt und andererseits hoheitliche Institutionen ermächtigt, gemeinsam übergreifende Lösungen zu erarbeiten und vorzuschlagen, als auch die bestehenden Maßnahmen zu überprüfen.
In den Diskussionen mit den unterschiedlichen Stakeholdern hat RAP wiederholt festgestellt, dass eine einseitige Fokussierung auf den Ordnungsrahmen zu abstrakt ist. RAP hat deshalb die bestehenden europäischen Beispiele für Efficiency-First-Maßnahmen zusammengetragen, so dass eine praxisorientierte Debatte mit den Entscheidungsträgern und Marktpartnern möglich wird. Grundsätzliche Einigkeit besteht in diesen Diskussionen bezüglich der Notwendigkeit für ein effizientes Energiesystem, jedoch endet diese Einigkeit schon bei den Ansichten eines notwendigen, übergeordneten Ordnungsrahmens und divergiert noch viel weiter bei den einzelnen praktischen Beispielen.
Damit das Grünbuch Energieeffizienz kein Lippenbekenntnis bleibt, ist also noch viel zu tun. Die hierzu in der Konsultation gestellten Fragen führen in die richtige Richtung. Bei einer Beantwortung dieser Fragen ohne Hintergedanken für spezifische Interessen oder Geschäftsmodelle besteht die Chance, ein Weißbuch mit konkreten Umsetzungsvorschlägen für Efficiency First zu bekommen, dessen Implementierung durch die nächste Bundesregierung erfolgen kann. Der erste wichtige Schritt ist durch das Bundeswirtschaftsministerium erfolgt. Nun sind die Bürger und Unternehmen, deren Verbände und Interessenvertreter gefragt, den Parteien das Thema in die Wahlprogramme und damit auch der nächsten Bundesregierung in die Koalitionsvereinbarung zu schreiben. Die bestehenden, verhältnismäßig kleinen Differenzen aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Stakeholder dürfen dabei kein Thema sein. Denn die Alternative wäre eine unnötig teure, wenn nicht gar in ihrer Zielerreichung gefährdete deutsche Energiewende. Auch eine Dekarbonisierung des Wärme- und Verkehrssektors durch Elektrifizierung kann nur bei richtiger Ressourcenbewertung nachhaltig erfolgen. Hier wird sich zeigen, ob die deutsche Energiewende als Vorbild für andere Staaten tatsächlich tauglich ist. RAP wird weiter daran arbeiten, dass dem so ist.